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Magnet auf Abwegen

Der schnelle Griff zum Automatengeld ist im Superland der Plastikkarten den Vereinigten Staaten, längst zum Alptraum geworden. Der Bankkartenbetrug, so rechneten die Finanzinsstitute dem amerikanischen Kongreß vor, koste sie jährlich 13 Millionen Dollar und sei damit -dreimal so hoch wie der Schaden durch Banküberfälle. Mit dem jüngst verabschiedeten "Credit Card Fraud Act of 1984"', der die Herstellung, den Gebrauch und den Handel mit geffälschten Bankzugangsmitteln unter Strafe stellt, will die Kreditkartennation nun den elektronischen Diebstahl in den Griff bekommen.

Doch nicht nur jensets des großen Teichs betrachten findige und kriminelle Zeitgenossen die stummen Geldschränke als Zapfsäulen für Bares. Erst im Dezember 1984 flog der Coup einer italienischen Bande auf, die mit Hilfe gefälschter Magnetstreifenkarten eine Reihe von Bankautomaten in Norditalien um 500 000 Mark erleichterten. Der raifinierte Coup fiel erst 48 Stunden später auf, weil die Täter am Wochenende aktiv wurden und nur Geldautomaten zur Kasse baten. -die nicht in Echtzeit, also online, sondern offline arbeiteten- Daß dergleichen auch in der Bundesrepublik mit ihrem noch recht bescheidenen Geldautomatenbestand passieren könne, weisen Banker entschieden zurück. Sie vertrauen auf das sogenannte MM-Sicherheitssystem, das Manipulationen an der Euroscheckkarte mit Magnetstreifen, aber auch Betrügereien mit gefälschten Karten verhindern soll. Diese Sicherheitstechnik. konzediert die SCS Scientific Control Systems GmbH Essen in einer Studie, schränke zwar das Mißbrauchsrisiko ein, auszuschließen sei es aber dennoch nicht.

Aber auch der Kunde selbst ist für einen Teil der Sicherheit verantwortlich. Um zu verhindern, daß, mit gestohlenen Karten Geld abgehoben werden kann, ist jeder verpflichtet, den Verlust seiner Karte oder seiner persönlichen Geheimnummer - PIN - sofort seinem Geldinstitut zu melden. Nur dann beschränkt sich seine Haftung bei Mißbrauch auf maximal 800 Mark. Doch auch wenn Schlamperei oder krirninelle Aktivitäten außer acht gelassen werden, können durch die Benutzung von Geldausgabeautornaten Probleme auftauchen, die nach der gegenwärtigen Rechtslage noch ungeklärt sind. Ins Rollen kam der Stein durch den Streich eines Kunden der SpardaBank Hannover, der unter der Schlagzeile "Geldinstitut verklagt Geldautomat" bundesweit seine Runde machte. Der Kunde, der durch Abhebungen via Automat innerhalb weniger Wochen mit über 30 000 Mark ins Minus rutschte, bestritt mit Nachdruck, den stählernen Geldhahn aufgedreht zu haben

Doch ehe sich das Landgericht Hannover mit dem eigentlichen Kernpunkt beschäftigen mußte - nämlich ob der Kunde oder die Bank die Beweislast trägt, wenn per Automat das Konto geplündert wird, gestand das vermeintliche Opfer den Schalterbeamten, doch der Täter gewesen zu sein. Der Fall macht eines deutlich: Im Zweifelsfall hat kein Automatenbenutzer etwas in der Hand, um eine Abhebung dokumentieren oder abstreiten zu können. Wenn berechtigte Zweiiel an der Richtigkeit einer Abbuchung auftauchen, hilft nur der Blick in das ausgedruckte Protokoll des Geldautomaten, in dem alle Transaktionen erfaßt sind. Doch damit beginnt möglicherweise erst der richtige Teufelskreis. Denn wenn der Geldautomat im fraglichen Zeitraum Störungen aufwies, "dann", so das Fachblatt "Der Bankkaufmann", "muß die Bank nicht nur anhand des Protokolls nachweisen, sondern auch den Beweis erbringen, daß diese Störungen'auf die ordnungsgemäße Funktion des Protokolliervorgangs keinen Einfluß haben". So steckt also noch jede Menge Zündstoff in den Kassenschränken, die bequem und rund um die Uhr dem Bankkunden Bargeld versprechen.

Wirtschaftswoche 3/85 - ww850111

 

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