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BKA unter Fahndungsdruck

CCC (Hamburg/Wiesbaden) - Über vier Monate sind vergangen,seitdem das Bundeskriminalamt (BKA), mit in der Bundesrepublik beispiellosen nächtlichen Hausdurchsuchungen, die Jagd auf vermeintliche Hacker beim Hamburger Chaos Computer Club e.V. (CCC) eröffnete.

Mitte September trat der Club mit Informationen an die Öffentlichkeit, die ein eklatantes Sicherheitsloch in einem Großrechnerbetriebssystem der Firma Digital Equipment belegten. "Hacker" hatten sich an den Club gewandt, nachdem es ihnen gelang, in circa 135 Computersysteme des wissenschaftlichen Inforrnationsnetzes der Luft- und Raumfahrt sowie der Hochenergiephysik einzudringen.

Mittels sogenannter "Trojanischer Pferde" untergruben sie die Sicherheitsroutinen und installierten unter anderem Programme, die die Kennworte aller Nutzer auskundschafteten. Betroffen von diesem "Hack" waren neben der amerikanischen Raumfahrbehörde NASA führende Institute in neun westlichen Ländern.

Raubkopien auf Großrechnern

Bei der durch den Club sofort nach Bekanntwerden eingeleiteten "Schadensbegrenzung" wurde neben dem Hersteller auch der amerikanische Geheimdienst CIA informiert. Man wollte, so ein Clubsprecher, vermeiden, daß der Club sich aufgrund der Brisanz der betroffenen Systeme zum Spielball der Geheimdienste entwickelt. So war es selbstverständlich, daß vor einer Veröffentlichung die betroffenen Systeme wieder "gesichert" werden mußten.

Beim Vergleich der von den "Hackern" angefertigten Liste der betroffenen Computer mit der Liste des Herstellers ergaben sich jedoch zahlreiche Unstimmigkeiten. So wurden an führenden Forschungseinrichtungen, auch im Bundesgebiet, auf dem second hand Markt erworbene Großrechner ohne Lizenz betrieben. Gemeinhin wird so etwas als "Raubkopie" bezeichnet.

Als Folge der Veröffentlichung dieses "Hacks" besannen sich die Wiesbadener Polizeispezialisten einer Anzeige der französischen Niederlassung der Philips AG. Diese hatte im Herbst 1986 - nachdem der Gesetzgeber in der Bundesrepublick das Ausspähen und Verändern von Daten unter Strafe stellte - Anzeige erstattet. Nach Angaben von Philips waren Hacker in die Fertigungssteuerung eingedrungen.

Die Ermittlungen der französischen Behörden führten in die Schweiz zum Genfer Kernforschungszentrum CERN. Dieses beklagt schon seit 1984 ständig Einbrüche durch Hacker. Unter den Hackern selbst gilt CERN als die "Europäische Hackerfahrschule", in der sich die Hacker "die Klinke in die Hand geben". Die schweizer Systemspezialisten äußerten den Ermittlungsbehörden gegenüber den Verdacht, daß der Hamburger Chaos Computer Club Verursacher dieser Einbrüche sei.

So erwirkte die Staatsanwaltschaft, einen Tag nach Veröffentlichung des Nasa-Hacks, die ersten Durchsuchungsbeschlüsse. Inzwischen wird gegen sieben "Computerfreaks" aus dem Umfeld des CCC, inzwischen auch wegen des publiziertem NASAHacks, ermittelt. Begleitet wurden die Ermittlungen durch ebensoviele Hausdurchsuchungen, bei denen umfangreiches Material sichergestellt wurde.

Hart getroffen wurden durch die Ermittlungen die beiden Vorstandsmitglieder des Clubs. Beide sind auch journalistisch tätig. Steffen Wern&eacu;ry unterhält seit 1984 einen Informationsdienst im Bildschirmtextsystem der Post. Bei den Durchsuchungen wurde das Redaktionssystem sichergestellt, so daß der Dienst nicht mehr fortgeführt werden konnte. Zwei Monate allein benötigten die Spezialisten vom BKA, um eine Kopie der für die Fortführung des Dienstes benötigten Daten anzufertigen. Inzwischen sind auch Computerteile zurückgegeben worden. Dabei wurde festgestellt, daß die Ermittlungen durch unsachgemäßen Umgang mit den Gerätschaften und einem daraus resultierenden Geräteschaden verzögert wurden.

hoffnungslose Bestrebungen

Seit der letzten Durchsuchung sind knapp vier Monate vergangen. Bis zum heutigem Tage wird den Anwälten der Beschuldigten die Akteneinsicht verwehrt. Das BKA und die Staatsanwaltschaft tun sich schwer, Licht in das Dunkel dieses Falles zu bringen. Mag auch das sichergestellte Material an Umfang zwar zugenommen haben, so scheinen die Spezialisten vom BKA nicht in der Lage zu sein ihre Vorwürfe zu präzisieren und zu belegen.

Die Hoffnungslosigkeit der Bestrebungen des BKA wird ersichtlich, wenn man Hintergründe eines weiteren Verfahrens miteinbezieht. So wird gegen den Pressesprecher des Clubs, welcher nach internen Informationen einer der Hauptverdächtigen sein soll, seit eineinhalb Jahren wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Fernmeldeanlagengesetz ermittelt. Normalerweise werden geringfügige Verstöße, bei gleichzeitig erhobenen schwereren Vorwürfen, eingestellt. So jedoch nicht in diesem Fall. Denn in der Ermittlungsakte findet sich ein Vermerk, daß eine Anklage oder Verurteilung in den Ermittlungen des BKA kaum zu erwarten sei. So ist es zu erklären, daß die Hamburger Staatsanwaltschaft zunächst das geringfügige Verfahren weiterverfolgt.

Doch mit einer baldigen Einstellung des Hackerfalles ist nicht zu rechnen. So ist zu vermuten, daß gerade die französichen Ermittlungsbehörden die Deutschen kräftig unter Druck setzen, jetzt endlich einen mutmaßlichen Täter zu präsentieren und zu überführen. Der Fahndungsdruck wird weitererhöht - Insider bezweifeln allerdings den Erfolg.

So stellten schon die Hamburger Hacker fest: Der Gesetzgeber hat es versäumt, mit Einführung der Straftatbestände auch für die nötige Ausbildung der Ermittlungsbehörden zu sorgen. So fehlt es dem BKA an Kompetenz und Augenmaß in dieser Sache. Eine Chance, so die Hacker, der wirklich gefährlichen Computerkriminalität Herr zu werden, haben die Computerspezialisten des BKA vertan.

S. Wernery 062106 Feb 88 BEREICH RED B KA DRUCK CLINCIIIDS-REDIS.WERNERY107.02.88115--5115614 Z.

 

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