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Eva Blumenfeld

Ich habe auf EDV-Fachfrau umgeschult

Eine ehemalige Lehrerin resümiert

Frauen und Technik - zwei Welten prallen aufeinander oder: Anpassungsfähigkeit - Die Stärke der weiblichen Sozialisation?

"Sagen Sie mal, Sie als Lehrerin, noch dazu mit den Fächern Sport und Kunst, wie kamen Sie eigentlich ausgerechnet auf die EDV?" - So und ähnlich lauten stets die Eingangsfragen bei Bewerbungsgesprächen, auf die ich schon vorbereitet bin, da schon ein Jahr zuvor sämtliche FreundInnen und Bekannte meinen Entschluß zur EDV-Umschulung ähnlich erstaunt kommentiert hatten,

Tja, wie kam ich, die - lang, lang ist's her - in allen Schulfächern außer Mathematik glänzte und mit EDV nie etwas am Hut hatte, ausgerechnet jetzt dazu, mich als EDV-Fachfrau ausbilden zu lassen? Um es vorweg zu nehmen: Frust oder der Gedanke, diese Chance als letzten Strohhalm ergreifen zu müssen, waren es nicht.

Nachdem die Nichteinstellung in den Schuldienst das einzige Sichere war, das mir die Zukunft zu bieten hatte, war mir klar, daß ich nicht, wie so viele meiner KollegInnen an einer - inzwischen so fragwürdig gewordenen - Idealvorstellung von ausgefülltem LehrerInnendasein festhalten wollte. Mit einem Jazz-Tanz- und Gymnastikstudio machte ich mich in Wiesbaden selbständig. Die Arbeit mit motivierten Erwachsenen (meist Frauen) machte mir viel Spaß, aber nach fünf Jahren versetzte mich der Gedanke, mit 40 oder gar 50 Jahren immer noch graziös vor meiner Spiegelwand herumzuturnen, keineswegs in Entzücken. Hinzu kamen die mit zunehmendem Alter wachsenden Verlockungen materiellen Wohlstands. Ich fühlte, daß die Ära des Existenzminimums und der abgewetzten Jeans jetzt langsam aber sicher dem Ende zugehen mußte.

Den entscheidenden Kick zur EDV gab mir eine Freundin, die - ursprünglich Französisch- und Deutschlehrerin - nach erfolgreicher EDV-Ausbildung noch erfolgreicher in der EDV-Branche als Dozentin unterrichtet. Feministin - wie ich - überzeugte sie mich, daß wir Frauen uns viel stärker der, bisher durch und durch männlich dominierten Technologie bemächtigen müssen, um sie menschlicher zu gestalten. Das wirkte!

Mit dieser Erkenntnis und mit meinem Dickkopf, das zu erreichen, was ich mir vorgenommen habe, fing ich meine Unschulung an. Meine Befürchtungen, von engstirnigen Computerfreaks umgeben zu sein, deren Kopf ein einziger virtueller Speicher ist, bewahrheitete sich - Göttin sei Dank - nicht. Ich war erstaunt, in meiner Klasse völlig "normale" Leute vorzufinden: Lehrer, Pädagogen, Soziologen und Psychologen - die Frauen allerdings in absoluter Minderheit.

Die spannendste Entdeckung für mich war, zu beobachten, wie mit wachsender Kompetenz und Sicherheit der Frauen das Rollenverständnis und die Sicherheit der Männer ins Wanken geriet. Und energisch mußten wir Frauen manches Mal sein, sei es um ungebetene "gut gemeinte" Ratschläge männlicher Kollegen abzuwehren oder um uns gegen die männlich-gedankenlose Titulierung als EDV-Fachmann zu wehren. šberhaupt ist die ganze Fachterminologie durch und durch männlich. Bei der Berechnung in "Mannjahren", "Mannmonaten" und "Manntagen" fragte ich mich ernsthaft, was denn die Frauen in der EDV eigentlich machen.

Auch im Umgang mit dem Unterrichtsstoff und der Technik waren die Frauen unbefangener, ja respektloser als die meisten Männer, die in der Regel ungern zugaben, wenn sie etwas nicht verstanden, - Oder liegt das daran, daß wir Frauen zu ignorant sind, einzusehen, daß die Technik eine heilige Kuh ist? Für mich ist und bleibt ein Computer eine zwar hochkomplizierte, aber dumme Maschine, die nur so intelligent ist, wie das vom Menschenhirn erdachte Programm, mit dem sie arbeitet, Selbst als EDV-Fachfrau (so darf ich mich jetzt nennen!) vermag ich in dem Mythos Computer nichts hintergründig Geheimnisvolles zu sehen - wie so viele meiner Kollegen. Wir Frauen sind deshalb für manche Männer eine Bedrohung, weil wir in der Lage sind, die Technik zu entmystifizieren, weil wir, respektlos wie wir sind, in der Technik nichts anderes sehen als ein arbeitserleichterndes Hilfsmittel, das uns in die Lage versetzt, uns wesentlicheren Dingen zuzuwenden. Das Wesentliche ist nicht - wie einige Männer meinen - die Technik selbst, sondern wie wir mit unseren mit Hilfe der Technik ermöglichten Kapazitäten und Freiräumen umgehen. Doch zurück zur Pädagogik.

Apropos Pädagogik, ich fühlte mich während meiner EDV-Ausbildung sehr oft an Untersuchungen über geschlechtsspezifische Sozialisation in der Grundschule erinnert. Während sich jedoch, wie bereits beschrieben, die Rolle der "Mädels" inzwischen grundlegend geändert hat (zumindest der EDV-Mädels, wobei diese nicht repräsentativ sind), vermochte ich in den Männern oft nur große (wenn auch inzwischen etwas sensiblere) Buben zu sehen, was sicherlich mit der häufig etwas unreflektierten männlichen Technikbegeisterung zu tun hat.

So fand ich eines Tages, als ich meine allesamt männlichen Projekt-Kollegen suchte, diese im Hofe unseres EDV-Instituts vor, wo sie kopfüber in einem riesigen Müllcontainer steckten, aus dem sie, ganz glücklich, einen Haufen kaputter, ausrangierter Tastaturen und Terminals zerrten, die sie sofort als ihre Beute in Sicherheit brachten, um sie später zu Hause zu zerlegen. Das nennt man(n) Recycling, frau kann darauf nur mit einem nachsichtigen Lächeln reagieren - ebenso wie auf den Dozenten, der in mühevoller Heimarbeit ein Modell einer Datenfernübertragungseinrichtung gebastelt hatte und uns im Unterricht mit leuchtenden Augen ans Herz legte, diese einmalige Gelegenheit zu nutzen und damit zu spielen. Der Fairneß halber muß gesagt werden, daß es wirklich sehr beeindruckend war, wenn durch Zusammenbringen von Steckverbindungen diverse Glühbirnchen aufleuchteten.

Was die Lehrkräfte betrifft, so kann man schon sagen, daß die Frauen mächtig auf dem Vormarsch sind: Immerhin gibt es inzwischen eine (!) weibliche Lehrkraft von ca. 20 am Institut, in dem ich die Ausbildung absolvierte.

Auch hier ein gravierender Unterschied: Während viele männliche Dozenten, die mal eine Frage nicht beantworten konnten (was immer mal vorkommt), nie zugaben, daß sie die Antwort nicht wußten, sondern in abenteuerlichen "intellektuellen" Klimmzügen drumrumhangelten, gab die Frau unumwunden zu, daß sie es nicht wisse, sie wolle sich informieren bzw. es im Praktikum mit uns zusammen ausprobieren. Dies brachte ihr von vielen - immerhin erwachsenen - Schülern prompt den Vorwurf mangelnder Kompetenz ein. Daß die aus der Erwachsenenbildung kommende Diplom-Pädagogin didaktisch-methodisch hervorragenden Unterricht hielt, schien den meisten Schülern (die immerhin zum größten Teil selbst Lehrer sind, aber das sind ja bekanntlich die schlimmsten) weniger zu bedeuten als nachlesbares Fachwissen.

Nach 13monatiger EDV-Ausbildung habe ich, die früher šberlegungen anstellte, ob ein Byte etwas Eßbares sei, genausoviel begriffen und gelernt wie die meisten anderen auch; und ich habe die für mich wichtige Erfahrung gemacht: Es gibt kaum etwas, das so schwierig und kompliziert ist, wie es uns Frauen gerne weisgemacht wird.

Inzwischen habe ich eine gut bezahlte Stelle in der EDV-Abteilung einer genossenschaftlichen Versicherung gefunden und freue mich auf alles Neue, das mich dort erwartet, denn: Wir Frauen sind ja bekanntlich furchtbar neugierig.

pad. extra & demokratische erziebung , April 1988

Unsere Autorin:
Eva Blumenfeld, Jahrgang 1956, Haupt- und Realschullehrerin, selbständige Jazztanz- und Gymnastiklehrerin, Bildhauerin, EDV-Fachfrau, Wiesbaden

 

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