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Ein Computerbuch für einen weiblichen Lernstil

Deborah L. Brecher, Autorin von GO STOP RUN plädiert für das Verständnis der Technologiesprache

taz: Ein Computerbuch für einen weiblichen Lernstil. Wendest Du mit dem Schlagwort der "Ganzheitlichkeit" beim Lernen nicht ein Defizit von Frauen in ein Positivum um?

Deborah L. Brecher: Ich denke nicht, daß es ein Defizit ist. Zum Beispiel müssen alle Kinder das Schreiben mit der rechten Hand erlernen, selbst wenn sie linkshändig sind, was nicht gut für sie ist. Ich denke, das ist dasselbe. Frauen werden gerade im technischen Bereich mit einem Lernstil, nämlich dem nach Regeln konfrontiert, der nicht der ihre ist, und wenden sich deshalb von der Materie ab.

Die negativen Auswirkungen des Computereinsatzes auf Frauenarbeitsplätzen sind bekannt. Wo siehst Du die Chancen für Frauen?

Für mich ist die große Frage, wie die Technologie umgesetzt wird. Eigentlich sollten Computer die Wirkung haben, daß die Arbeit erleichtert wird. So ist es aber gewöhnlich nicht. Das heißt für mich, daß die Anwendung von Computern falsch ist. Es liegt nicht an der Technologie selbst, sondern daran, wie sie umgesetzt wird. Z.B. wenn wir Technologie richtig benutzen würden, da würde es dann irgendwann keine "Tippsen" mehr geben. Irgendwann müßte die Trennung der Arbeitsberichte, daß die eine tippt, was die andere sich ausgedacht hat, aufgehoben werden. Diese Trennung ist absurd, zumal jetzt schon kleine Jungen am Computer tippen lernen. Dieser Teil der Arbeit muß rückintegriert werden in die ganze Arbeit von schriftlicher Produktion, wodurch sich für Frauen andere, interessantere Tätigkeiten erschließen könnten, als das Tippen von Gedanken anderer.

Die Amerikaner haben sich in Schweden umgeguckt und gesehen, daß sie dort bessere Autos produzieren, weil die Leute dort in Teams arbeiten und das Endprodukt, was sie selber hergestellt haben, als Ganzes sehen. Die Amerikaner haben einerseits davon gelernt, andererseits stellen sie jetzt Computer in die Büros, wobei eine Frau den ersten Entwurf tippt, eine andere die Korrekturen macht etc -, so daß sie nie ein Endprodukt sehen und sagen können: das habe ich fertiggestellt.

Du hälst es für wichtig daß sich mehr Frauen als bisher mit der Computertechnologie beschäftigen, weil "das neue elektronische Zeitalter auch die weibliche Sensibilität reflektieren muß". Kannst Du Deine Vorstellung von weiblicher Einmischung und deren Folgen etwas verdeutlichen?

Die eine Frage ist die der femininen Sensibilität und die andere ist für viele Frauen einfach die Frage: Wie kriege ich einen Job? In den USA ist es seit Jahren so, daß du ohne Computerkenntnisse aus dem Rennen bist. Da gibt es zwei Gruppen, Kannst du mit dem Computer arbeiten, stehen dir die Türen offen, kannst du es nicht, gibt es für dich die niedrigen manuellen Arbeiten. Für viele Frauen ist es sehr wichtig, die Wahl zu haben, einen einigermaßen guten Job zu bekommen. Zum anderen Teil der Frage. Da gibt es eine bestimmte Art von Leuten, die keine anderen Beziehungen in ihrem Leben außer der zu ihrem Computer haben. Ich nenne sie Nurds, und ich habe noch nie einen weiblichen Nurd getroffen. Ich denke, daß Frauen dem realen Leben mehr verhaftet sind, und das rührt daher, daß Frauen, Mütter, Töchter, Schwestern sind. In den USA ist das Verhältnis der Töchter zu den Eltern anders als das des Sohnes zu ihnen. Frauen kümmern sich mehr um ihre Beziehungen. Es gibt auch Männer, die sich unterstützend, um Leben bemüht, verhalten, aber das sind dann meist "softmen", die auch nicht viel mit Technologie zu tun haben wollen. Natürlich sind nicht alle Männer in der Computerbranche Nurds. Aber es ist bemerkenswert, daß man keine Frau findet, die sich total abkoppelt und als Primärbeziehung den Computer hat. Ich bin froh, wenn mehr Frauen und diese andere Sorte Männer in diese Industrie gehen, und umgekehrt habe ich Angst bei der Vorstellung, daß all die Technologie von Leuten geschaffen und eingesetzt wird, die Maschinen so sehr lieben.

Du schreibst, daß Du eine feministische Auffassung von Technik "vertrittst. Was heißt das für Dich, und wie könnte die sich in der Computertechnologie niederschlagen?

Wenn du ein System entwirfst, ob es sich nun um Computer oder eine andere Technologie handelt, ist es wichtig, nicht nur ein Einzelteil zu sehen, sondern sich das ganze System erst vorzustellen. Es wird immer nur geguckt, welche Aufgabe der Computer erfüllen soll, und nicht auf die Person geachtet, die mit ihm arbeitet. Ein weiterer Aspekt feministischen Denkens ist, daß die Beziehung der Person zum System mit einbezogen wird. Ein System sollte so entworfen sein, daß es einfach ist, es dahingehend zu verändern, daß es der Person dient und nicht umgekehrt.

Du sprichst jetzt von der Person und dem Computer. Es betrifft ja noch ein paar andere Leute. Du verweist in Deinem Buch auf die Gefahr der Orwellschen "Big-Brother-Gesellschaft". Mit der Einmischung von Frauen wäre es ein Geschwisterpärchen, das uns überwacht. Ist Dir bei diesem Gedanken behaglicher, oder hälst Du Frauen per se für die besseren Menschen, die die Realisierung dieser Horrorvision verunmöglichen?

Oh nein, ich unterteile Leute nicht in schwarz und weiß, gut und schlecht. Wenn ich von den Benutzern des Systems spreche, meine ich das ganze Gebilde, d. h. ein System, das Informationen über Leute speichert und die gespeicherten Leute selbst sind beide Teil des Systems. Deshalb sollten die Rechte der Menschen respektiert werden. Ein weiterer Aspekt feministischer Technologie: Wenn du Informationen über Leute sammelst, müssen deren Rechte respektiert werden. Ich denke, es sollte Gesetz sein, daß, wenn jemand über mich Informationen sammelt, sollte diese Person mir eine Mitteilung machen und eine Kopie der Informationen zusenden müssen. Ich sollte das Recht haben, sie zu kennen und zu ändern. Und ich sollte das Recht haben, zu sagen: Ich will nicht in Deinem Computer sein.

Ist es nicht ein bißchen blauäugig, an den Datenschutz zu appellieren, ohne echte Kontrollmechanismen zu haben?

Ich denke, daß es definitiv ein Gesetz geben müßte. Es gibt bestimmte Gesetze in den USA. Die Gesetze hinken der technologischen Entwicklung hinterher, aber das ist eine andere Sache. Der andere Teil feministischen Technologiedenkens ist der, daß es unmöglich ist, eine Maschine zu bauen, die nicht kaputtgeht. Das heißt man hat die Konsequenzen eines Systemzusammenbruchs zu beachten. Wenn das beachtet würde, wäre nicht ein Nuklearreaktor 60 Kilometer entfernt von Manhattan gebaut worden, wo an einem normalen Arbeitstag 20 Millionen Menschen sind. Das ist typisch Nurd, etwas ohnehin problematisches zu machen, und es dann auch noch downtown aufzubauen. Das ist ein Denken, das Menschen nicht einbezieht. Desgleichen gibt es bestimmte Datenbanken, die nicht eingerichtet werden sollten, bestimmte Informationen, die nicht im Verbund sein sollten, weil das System definitiv kaputtgehen wird, d.h. jemand bekommt Informationen, die er nicht haben sollte. Wenn alle Systeme irgendwann zusammenbrechen, ist es angebracht zu überlegen: Kann ich das Risiko eingehen, das sich aus den Konsequenzen ergibt? Du planst den Zusammenbruch in deinen Entwurf ein, und ich bin sicher, daß einige Informationssysteme zwar möglich sind, aber nicht gebaut werden sollten. (...)

Deswegen habe ich das Buch geschrieben, mit dem Gedanken, daß wir die Technologensprache besser verstehen. Wir alle sollten diese Sprache lernen, um politisch wirksam arbeiten zu können.

Das Interview führte Christine Engel

 

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